#062 – Nicolai Tegeler | Schauspieler & Regisseur

Sep 16, 2021 | Interview, Schauspiel, Staffel Zwei

Nicolai Tegeler im Interview

Wer ist Nicolai Tegeler?

Nicolai Tegeler, gebürtiger Berliner, hat die Schauspielerei im Blut (wortwörtlich, denn seine Familie kommt ebenfalls aus der Branche). Seit dem Abschluss seiner Bühnenreife 2003 in Berlin wirkte er in zahlreichen Film- und TV-Produktionen mit, doch nicht nur vor der Kamera, auch hinter der Kamera als Drehbuchautor und Regisseur verwirklicht er sich, seine Ansichten und Einstellungen zum Leben, der Liebe und der Welt leidenschaftlich und erfolgreich.

Wann gibt’s was?

  • Eine seltene Spezies ist zu Gast: eine echte Ur-Boulette. Dass die uns ein Lied von unzähligen Umzügen (die mit Kisten schleppen, nicht die zum Mitlaufen und trinken) singen kann, ist klar (ab Minute 19:00)

  • Die Hass-Liebe zur Hauptstadt drückt Nicolai Tegeler so poetisch und treffend aus wie kaum jemand zuvor – klar, er ist ja auch Schauspieler (ab Minute 23:10)

  • Und auf einmal steht man auf der Bühne und ist Schauspieler? Nicolai erzählt von seiner Reise und den Beweggründen (ab Minute 36:00)

  • Sogar in der Psychiatrie konnte er was fürs Schauspielern lernen. Klingt absurd? Ist es auch ein bisschen (ab Minute 40:15)

  • Die goldenen Jahre der Leinwandheld:innen sind vorüber – doch langweilig wird der Beruf sicherlich niemals! (ab Minute 50:50)

  • Filme im Wandel der Zeit. Und im Wandel der Unterhaltungsbranche. (ab Minute 55:45)

  • Netflix&Chill oder doch lieber “20:15 Tatort und gemütliche Kinosessel”? (ab Minute 1:00:00)

  • Nicolais persönliches Herzensprojekt der letzten Jahre – endlich da! (ab Minute 1:03:00)

  • Zukunft variabel – egal, ob vor oder hinter der Kamera. Und gibt’s demnächst mal wieder politischen Besuch im Hauptstadt Podcast? (ab Minute 1:19:20)

Kurzzusammenfassung

Diese Folge heißt es endlich wieder “Bühne frei!”, denn der deutsche Schauspieler, Regisseur und Synchronsprecher Nicolai Tegeler beehrt das Hauptstadt Podcast Studio.
Als eine aussterbende Spezies “Ur-Berliner” kann er Zugezogene (wie mich) übrigens beruhigen: Auch Einheimische kommen nicht zu kurz was zahllose Umzüge innerhalb der Stadt angeht. “Sportlich” nennt er das, aber das nur als kleinen Side-Fact.

Berlin, ick liebe dir – meistens jedenfalls. Irgendwie.

Hass-Liebe as it´s finest ist für ihn quasi die Definition seiner Heimat. “Wenn ich hier bin, will ich weg. Wenn ich weg bin, will ich wieder zurück” und damit trifft er den Nagel so ziemlich haargenau auf den Kopf. Berlin, das bedeutet für ihn viel Grün, viele Gerüche (ja, auch eklige), viel Kultur und rund um die Uhr Essen rund um den Globus. Wenn da nicht negative Punkte wie diese Ordnungsamt-Menschen wären, bei denen er wohl nicht der Einzige ist, der sich fragt “WAS machen die eigentlich?!” Wenden wir uns lieber schöneren Themen zu.

“I love to entertain you” – vom Kindheitswunsch zum Beruf

Schauspielern und Reisen – das lässt sich doch prima miteinander vereinen. Sein Ziel, bis 40 alle europäischen Hauptstädte abzuarbeiten, hat Nicolai nicht ganz erreicht (auch wenn er eigentlich erst 28 ist *zwinker*), und so gern er auch reist “Ich freu mich immer, zurückzukommen, egal, wie lange ich weg war.” Da ist die Liebe dann doch stärker als der Hass für Berlin.
Doch zurück zum Anfang: Woher kam der Wunsch Schauspieler zu werden? “Ich wollte immer Menschen unterhalten”. Mal davon abgesehen, dass die Profession ihm in die Wiege gelegt wurde, merkte er schnell: Beim Schauspielern setzt man sich unfassbar viel mit sich selbst und intensiv mit den unterschiedlichsten Themen auseinander. Und in jede Rolle steckt man auch immer einen kleinen Teil seiner eigenen Persönlichkeit, so absurd die Rolle auch sein mag “Die Rolle hat immer was mit dir selbst zu tun!”. Dazulernen und Sozialstudien durchführen kann Nicolai übrigens überall und von jedem Menschen; seinen Zivildienst leistete er in einer offenen Psychiatrie, sogar das war ein großes Learning “Wer ist eigentlich der Bekloppte, die da draußen oder die drinnen? Und ich rede nicht von den Patient:innen.” (lacht).

Mehr Kultur als Kult

Ein wenig desillusionieren muss Nicolai uns dann doch; der Beruf des Schauspielers ist nicht mehr ganz so glänzend wie man es sich immer vorstellt “Leinwandhelden gibt es so nicht mehr”, gerade in Deutschland wird recht wenig Starkult betrieben, da sieht es im Vergleich in den USA noch ein wenig besser (oder glanzvoller) aus. Und: Kaum jemand kann rein von der Schauspielerei leben und setzen (wie Nicolai) zum Beispiel auch auf Moderation und Synchronsprecherrollen. Er siehts aber eher als Zugewinn, da gerade in Berlin die Möglichkeiten schier unendlich sind.

Im Wandel der Zeit – TikTok und Co. als Hindernis oder Chance?

Mit den Streaming-Anbietern und Social Media hat sich auch der gesamte Nachfrage-Angebots-Charakter in der Filmbranche verändert. “Es ist für junge Menschen jetzt viel einfacher, sich selbst zu vermarkten und an Bekanntheit zu gewinnen”, doch die negativen Folgen von TikTok, Instagram und Co. Dürften klar sein: Die Aufmerksamkeitsspanne der potentiellen Zuschauer:innen ist drastisch gesunken. Einen Film 90 Minuten durchschauen ohne Pause und ohne Handy-Checken? Quasi nicht denkbar. Nicolai selbst ist übrigens noch (oder wieder?) Fan vom linearen Fernsehen, die unüberschaubare Auswahl bei Streaming-Anbietern überfordert ihn. Wären wir alle mal ganz ehrlich zu uns selbst, würden wir ganz sicher zum gleichen Ergebnis gelangen.

Herzensprojekt “Film”: Warum Filme so viel mehr als nur Unterhaltung sind

Last but not least ein persönliches Herzensprojekt für bzw. Von Nicolai: Sein eigens produzierter Film “Zu den Sternen” kommt am 30.09. Endlich bundesweit in die Kinos. Eine Geschichte über Freundschaft, Liebe und Verrat. Beim Zuhören merkt man schnell: Für ihn sind Filme mehr als nur ein Unterhaltungsmittel. Sie sind Mittel, um über außergewöhnliche Be- und Gegebenheiten aufzuklären, sie zu erklären, Menschen miteinander ins Gespräch bringen “Ich finde es so wichtig, dass wir einander zuhören, Fragen stellen und diskutieren” Und genau dafür steht auch der Film. Übrigens: Wer von dem Film begeistert ist, darf sich freuen; denn Nicolai will auch in Zukunft nicht nur vor, sondern auch weiterhin hinter der Kamera stehen.